Kegelrobbe – niedlicher Meeressäuger und geschickter Jäger

Kegelrobbe mit ihrem kegelförmigen Kopf liegt am Strand
Kegelrobbe liegt am Strand

Die besagten Kulleraugen täuschen uns Menschen vielleicht ein wenig. Denn im Tierreich ist die Kegelrobbe in Deutschland das größte Raubtier. Weil sie so gut im Jagen ist, haben wir sie als Nahrungskonkurrenten gesehen und vor 100 Jahren fast ausgerottet. Mittlerweile haben sich an den Küsten der deutschen Ostsee dank eines Jagdverbotes und besserer Wasserqualität wieder 30.000 Tiere angesiedelt.

Insgesamt gibt es drei große Populationen: die westatlantische (an der nordamerikanischen Küste), die ostatlantische (rund um die Küsten Großbritanniens, Irlands, Islands und in der Nordsee) sowie die baltische (in der Ostsee).

Neben Seehunden und Schweinswalen ist die Kegelrobbe die seltenste unserer drei heimischen Meeressäugerarten. Sie gehört wie die Seehunde zu den Hundsrobben.

Merkmale

Kegelrobbe schaut in die Kamera
Portrait einer Kegelrobbe

Der Lebensrhythmus der Kegelrobben richtet sich nach Ebbe und Flut. Bei Ebbe ruhen sich die Tiere am Strand aus und bei Flut gehen sie auf die Jagd. Bei knapp 2,50 m Körperlänge bringt die Kegelrobbe bis zu 300 Kilogramm auf die Waage, wobei die Weibchen etwas kleiner und leichter sind. Es gibt unterschiedliche Erklärungen für die Namensgebung. Man liest sowohl, dass die Robbenart ihrem kegelförmigen Kopf oder auch den kegelförmigen Zähnen ihren Namen verdankt. Sie hat eine spitze Nase und die Augen sind klein und dunkel.

Das Fell der Kegelrobbe ist dicht und kurz. Die Männchen haben einen grauen Fell-Grundton und sind hell gefleckt, während die Weibchen ein helles Fell mit dunklen Flecken haben. Jungtiere haben in den ersten Lebenswochen ein weißes Fell, das sogenannte „Lanugo“. Dieses Babyfell ist zum Schwimmen ungeeignet, weil es sich mit Wasser vollsaugen würde. Deshalb folgen die Jungen ihren Eltern erst nach dem Fellwechsel nach ungefähr vier Wochen ins Wasser.

Kegelrobben besitzen keine Ohrmuscheln, haben aber ein sehr empfindliches Gehör, das ihnen das Richtungshören ermöglicht. Ihre Barthaare, auch „Vibrissen“ genannt, geben ihnen die Orientierung unter Wasser, selbst bei völliger Dunkelheit. Die Lebenserwartung in freier Wildbahn und unter optimalen Bedingungen beträgt bei Weibchen 45 Jahre und bei Männchen etwa 30 Jahre.

Obwohl Kegelrobben an Land auf Felsen oder Sandbänken eher behäbig und schwerfällig wirken, da ihre zum Klettern mit langen gekrümmten Krallen gut ausgestatteten Vorderflossen klein sind, können sie für kurze Zeit sogar mit bis zu 20 km/h galoppieren ­– schneller als ein Mensch! Im Wasser bewegen sie sich mit ihren Hinterflossen wendig und mit einer Geschwindigkeit von bis zu 35 km/h sehr schnell.

Die Tiere sind auch ausgezeichnete Taucher, bis zu 300 Meter tief, und können die Luft bis zu einer halben Stunde anhalten. Dies verdanken sie einer speziellen Technik: Bevor sie abtauchen, atmen sie kräftig aus, denn eine volle Lunge könnte dem Wasserdruck nicht standhalten. Den nötigen Sauerstoff für den Tauchgang speichert die Robbe in den Muskeln. Ihre dicke Speckschicht, der sogenannte „Blubber“, schützt sie dabei vor der Kälte. Und während des Fellwechsels von Mitte Februar bis Mitte Mai sowie während der Aufzucht der Jungtiere, wenn die Robben hauptsächlich an Land leben, zehren sie von dieser genialen Energiereserve.

Lebensraum

Kegelrobben Familie liegt an der Küste
Küstengebiete des Nordatlantiks sind der Lebensraum der Robben

Verbreitet ist die Kegelrobbe hauptsächlich in subarktischen bis kalt-temperierten, felsenreichen Küstengebieten des Nordatlantiks, von der kanadischen Küste über Island, Großbritannien und Irland sowie das europäische Festland bis hin zur russischen Kola-Halbinsel. In der deutschen Ostsee taucht sie seit 2005 immer häufiger auf und seitdem ist klar, dass Kegelrobben sich bei uns wieder ansiedeln. Im Greifswalder Bodden, in den Gewässern um Rügen, Usedom und Darß, leben sie mittlerweile ganzjährig. Die Bestandsdichte ist allerdings noch klein.

Die Tiere unternehmen keine größeren Wanderungen, von gelegentlichen Streifzügen einzelner Jungtiere abgesehen. Liegen sie nicht an Land, treiben sie sich irgendwo weit verstreut in ihrem Verbreitungsgebiet herum. Als opportunistische Räuber jagen die Kegelrobben das, was sich gerade am leichtesten schnappen lässt, und ernähren sich somit überwiegend von Fisch, wie zum Beispiel Dorsch, Scholle, Lachs, Tintenfisch, Flunder, Kabeljau, Hering und Plattfischen, aber auch von Krebs- und Weichtieren wie Garnelen und Schnecken. Angriffe auf Seehunde und junge Schweinswale kommen ebenso vor. Etwa sechs Kilogramm Nahrung benötigt eine ausgewachsene Robbe pro Tag.

Vor allem in den hochsensiblen Lebensphasen (Fortpflanzung, Fellwechsel) sollten die Tiere unbedingt ungestört bleiben. Andernfalls könnten sie von ihren Liegeplätzen vertrieben werden.

Fortpflanzung

Kegelrobbe schaut aus dem Wasser
Kegelrobbe im Atlantik

Für die Paarungszeit kommen Kegelrobben meist zu ihrer Geburtsstätte zurück. Die Männchen kommen vor den Weibchen an Land an und richten sich Reviere ein. Zwischen Ende November und Anfang Februar – in der Ostsee von Februar bis März – werfen die Weibchen nach elf Monaten Tragzeit ihren Nachwuchs und bevölkern die Dünen, Eisschollen und Felsen. Jedes Weibchen bringt ein Jungtier zur Welt.

In der kalten Jahreszeit schützt das Lanugo die Jungtiere vor dem eisigen Winterwind, aber die Welpen müssen jetzt ganz schnell an Gewicht zulegen. Da hilft nur fressen. Deshalb drängen die Mütter ihre Kleinen ständig zum Milchtrinken, sodass diese nach etwas mehr als zwei Wochen ihre Größe und ihr Gewicht vervierfacht haben, während die Mütter bis zu einem Drittel ihres Körpergewichts verlieren. Denn sie gehen in dieser Zeit nicht auf die Jagd.

Außerhalb der Paarungszeit leben Kegelrobben in lockeren Rudeln zusammen, währenddessen jedoch bilden sich kleinere Kolonien und darin kurzzeitig feste Haremsgruppen von bis zu zehn Weibchen mit deren Jungen zu einem Männchen. Es gibt allerdings auch vereinzelt monogame Paare. Sobald die Kleinen mit etwa vier Wochen entwöhnt sind, paaren sich die Männchen erneut mit den Weibchen.

Nach der Entwöhnung müssen Kegelrobbenwelpen eine längere Fastenzeit durchstehen, in der sie in der Regel am Ort ihrer Geburt bleiben und keinen Kontakt zu ihrer Mutter haben. Denn diese ist bereits wieder jagen, um die Energiereserven aufzufüllen, und oft mehrere hundert Kilometer vom Aufzuchtort entfernt. Es ist nicht bekannt, dass Kegelrobbenmütter jemals wieder zu ihren Jungen zurückkehren.

Kegelrobben sind erst nach einiger Zeit geschlechtsreif, Weibchen mit fünf und Männchen frühestens mit sechs Jahren. Bei Männchen kommt noch hinzu, dass sie mindestens acht Jahre alt sein müssen, um sich gegen Rivalen durchzusetzen. Die Bullen verteidigen ihren Strandabschnitt und Harem teilweise mit heftigen Revierkämpfen. Blutende Bisswunden sind dabei keine Seltenheit.

Gefährdung

Kegelrobbe liegt auf Felsen im Wasser
Kegelrobben gelten in Deutschland als stark gefährdet

In der Ostsee haben Kegelrobben keine natürlichen Feinde. Im Atlantik müssen sie sich vor großen Haien, kleinen Schwertwalen und Orcas in Acht nehmen.

Der weltweite Kegelrobbenbestand 2008 betrug schätzungsweise 200.000 Tiere. Etwa die Hälfte der Tiere lebten vor Großbritannien und Schottland. In der Ostseeregion lebten früher rund 100.000 Kegelrobben, doch durch Bejagung und Umweltverschmutzung sank die Zahl auf 2500 Tiere. Heute ist die Jagd in der Ostsee fast überall verboten, wodurch sich die Population wieder langsam erholt und Stand 2015 bei etwa 24.000 Kegelrobben lag. Auch an die deutsche Ostseeküste kehren immer mehr Kegelrobben zurück.

Dennoch gelten sie in Deutschland als stark gefährdet und stehen auf der Roten Liste. Aus diesem Grund sind sie nach dem Bundesnaturschutzgesetz und der FFH-Richtlinie (Fauna-Flora-Habitat: eine Naturschutz-Richtlinie der EU) eine streng geschützte Art. Auch nach der Helsinki-Konvention (HELCOM) unterliegen die Tiere einem besonderen Schutz. Dadurch vermehren sich die Kegelrobben seit mehreren Jahren wieder erfolgreich, sofern sie auch gute Lebensbedingungen – insbesondere ausreichend Nahrung, geeignete Wurfplätze und Ruhezonen – vorfinden.

Die allgemeine Zerstörung von Lebensräumen im Meer, die Verschmutzung, Wilderei, die Überfischung sowie Beifang führen jedoch weiterhin zu einem Bestandsrückgang. Auch die Intensivierung der Aquakultur hat möglicherweise einen negativen Einfluss: Wo viele Fische auf engem Raum vorkommen, besteht eine größere Gefahr durch Parasitenbefall. Weitere Verluste gibt es, wenn Neugeborene von Felsküsten abstürzen, bei Hochwasser ertrinken oder ihre Mutter verlieren. Sogenannte Seehundjäger oder Wattenjagdaufseher sind in Deutschland zuständig für das Management verletzter, kranker oder verlassener Tiere. Dies bedeutet allerdings oft den Tod des Tieres, denn die Jäger dürfen unkontrolliert und ohne weitere Rückfragen eigenständig und spontan über einen Abschuss entscheiden.

Da die Kegelrobbe als größter Räuber am Ende der Nahrungskette steht, reichern sich alle Schadstoffe der Nahrungskette vom Plankton bis zum Fisch in ihrem Körper an, das Immunsystem wird geschwächt. In den 1950er- bis 1970er-Jahren gab es sogar eine Fortpflanzungsstörung durch zu viel PCB und DDT, die sich erst Anfang der 90er-Jahre bei den Weibchen verbesserte durch das Verbot der beiden Substanzen. Heute ist die Häufung von Dickdarmgeschwüren insbesondere im nördlichen Verbreitungsgebiet der Ostseekegelrobbe, die als eigenständige Unterart gilt, auffällig. Auch Schäden an inneren Organen und der Haut sowie Missbildungen deuten auf negative Einflüsse durch persistente organische Schadstoffe (POP) hin.

In Deutschland haben das Jagdverbot, bessere Schutzmaßnahmen und die langsame Verbesserung der Umweltbedingungen in der Ostsee zu einer allmählichen Erholung der Population geführt. Für Touristen ein Highlight, für Fischer ein Dorn im Auge, denn die großen Räuber verursachen Schäden an Fang und Fischereigerät. Seit 2020 können Fischer aus Mecklenburg-Vorpommern allerdings Entschädigungszahlungen für Robbenschäden beantragen.

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